1. AKT
Ein alter Mann betritt schweigend die Bühne und zieht ein Notizbuch aus der Tasche. Während er darin blättert, fällt ihm ein Photo in die Hände, welches er stumm betrachtet. Hinter ihm erscheinen die Figuren aus dem Bild wie auf einem Familienphoto. ("PROLOG: ÄLTER") Am Ende des Prologs sehen wir, dass die ganze Familie an einem Grab steht. Arno, der Vater, hält die Grabrede für seinen verstorbenen Vater. Der alte Mann verschwindet im Dunkeln. Am Abend nach der Beerdigung: die Familie ist im Haus der Eltern versammelt. Das Gespräch kommt auf den bevorstehenden Auszug des Sohnes, Chris. Das Thema sorgt für einige Kontroversen – während der Vater darauf drängt, dass Chris endlich sein Studium beginnt, fürchtet die Mutter einen weiteren Verlust. Die ohnehin schon emotional aufgeladene Stimmung hat zur Folge, dass einer nach dem anderen die Runde verlässt. Chris und seine ältere Schwester Annika unterhalten sich im Garten hinter dem Haus über den bevorstehenden neuen Lebens-abschnitt und die damit verbundenen neuen Herausforderungen. Annika, die ihrem Bruder sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht bereits einige Schritte voraus ist, versucht ihm dazu einige Ratschläge zu geben. Chris möchte sich aber dabei von niemandem helfen lassen – er will allein in sein neues Leben starten. Ein paar Wochen später: Chris trägt die letzten Sachen in seine neue Wohnung. Während er die Kisten öffnet und sein bisheriges Leben gut verpackt vor ihm steht, denkt er über seine Zukunft nach. Er ist voller Tatendrang und Enthusiasmus - auch wenn er noch nicht genau weiß, was das neue Kapitel wohl bringen wird. ("HALLO WELT!") Seine Mutter, Hannelore, muss sich derweil erst daran gewöhnen, dass die Kinder nun aus dem Haus sind. Wie füllt man die Leere, wenn man plötzlich nicht mehr gebraucht wird - und wie findet man neue Aufgaben, wenn man bisher primär für andere da war und sich selber dabei aus den Augen verloren hat? ("SIE SIND NOCH DA") Sie schüttet ihrer Schwägerin Elke das Herz aus. Diese rät ihr, das Ganze als Chance zu sehen, die neugewonnene Freiheit zu nutzen und endlich mal mehr an sich selber zu denken. ("ZEIT FÜR DICH") Als Arno nach Hause kommt, tröstet er seine Frau und beide erinnern sich zurück. ("WEISST DU NOCH?") Wiederum einige Wochen später: wir werden Zeuge einer Reihe von Telefonaten. Die Eltern wollen sich erkundigen, wie es bei Chris mit dem Studium und der Jobsuche läuft. Annika ist verärgert, weil es seit Wochen nur noch um ihren Bruder geht, worüber sie sich wiederum bei ihrem Freund Sven beschwert. Die Gespräche vermischen sich, kommen ungelegen, alle stellen ihre Fragen, aber keiner hört dem anderen richtig zu. ("DER ANRUF 1") Als Annika mit Sven über ihre gemeinsame Zukunft reden möchte, geht er - wie immer - einem Grundsatzgespräch aus dem Weg. Annika, stets bemüht, nach außen ein möglichst perfektes Bild zu vermitteln, fragt sich in einem unbeobachteten Moment, ob sie hinter der Fassade mit ihrer Beziehung und ihrem Leben glücklich ist. Parallel dazu macht sich auch Sven auf seinem Weg zur Arbeit Gedanken über ihre Beziehung und die von ihm selbst und von Annika gestellten Erwartungen. ("GLÜCKLICHSEIN" / "NIE GENUG") Ein paar Tage später unterhält sich Annika mit ihrer Mutter über das Thema Kinder. Während Hannelore ihre eigenen Erfahrungen schildert und sie in ihrem Kinderwunsch bekräftigt, vertritt Elke in einem kurz danach stattfindenden Gespräch vehement die gegenteilige Meinung und appelliert an sie, ihre Selbständigkeit und Freiheit nicht aufzugeben. ("EINFACH/SCHWER") Zwei Monate später: in einem weiteren Telefonat erkundigen sich die Eltern, wie es Chris geht und wie es mit dem Studium läuft. Chris weicht einer Antwort aus und beendet das Gespräch mit der Begründung, viel zu tun zu haben. ("DER ANRUF 2") Doch offenbar ist dies nur ein Vorwand. Sein anfänglicher Enthusiasmus ist verflogen, er wirkt desillusioniert. Weder ist er mit seinem Studium weitergekommen, noch hat er es bisher geschafft, in der neuen Stadt einen Freundeskreis aufzubauen. ("HALLO WELT!" - Reprise) Als einige Wochen später die ganze Familie, außer Chris, bei Annika zuhause versammelt ist, werden wir Zeuge eines „klassischen“ Familientreffens. Das Essen ist nicht zu jedermanns Zufriedenheit, die Eltern zicken sich an und zur Krönung präsentiert Sven stolz die Photos ihres gemeinsam verbrachten Urlaubs. Bald wird jedoch klar, dass die Einladung eigentlich noch einen ganz anderen Grund hat... Chris erfährt am Telefon von Annikas Verlobung. Wie immer läuft bei seiner Schwester alles nach Plan, während er noch nicht mal einen Plan hat. ("WAS BLEIBT?") (Chris, "Prolog: Älter")
2. AKT
Bei der Feier zu Arnos 65. Geburtstag herrscht das übliche Durcheinander. Arno ist der ganze Aufwand zu viel, in die Feierstimmung mischen sich die kleinen Alltags-Querelen und als dann noch Annika verkündet, dass sie schwanger ist, ist die Aufregung groß. ("DER GEBURTSTAG") Am Abend unterhalten sich Arno und Hannelore vor dem Zubettgehen über die Ereignisse des Tages und erinnern sich daran, wie es war, als die Kinder noch klein waren. Als Hannelore im Bett ist, bleibt Arno allein zurück und beobachtet sich im Spiegel. Wann genau ist er plötzlich zu dem alten Mann geworden, der ihm da entgegenblickt – und wie hat er all die Zeit genutzt? ("DER MANN IM SPIEGEL") Ein paar Monate später, am Tag von Annikas Hochzeit: Chris, mittlerweile völlig entmutigt, redet mit Elke, die ihn beruhigt, dass es völlig in Ordnung sei, noch nicht genau zu wissen, wohin seine Reise geht. Sie schenkt ihm ein Notizbuch, in das er seine Pläne, Ziele und Erlebnisse eintragen soll. ("DEIN WEG") Abends bei der Hochzeitsfeier beobachtet die schwangere Annika in einem ruhigen Moment ihren Partner, der ausgelassen feiert. Sie fragt sich, ob sie beide wirklich schon reif genug sind, so viel Verantwortung zu übernehmen. Welche Veränderungen kommen auf sie zu – und war die Entscheidung richtig? ("MORGEN FRÜH") Später am Abend kommt es zu einem Streit zwischen Hannelore und Elke aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensmodelle – Hannelore ist es leid, von ihr „nur“ als Hausfrau und Mutter wahrgenommen zu werden. ("ZEIT FÜR DICH" – Reprise) Sie geht nach draußen, und während sie durch das Fenster die Hochzeitsgesellschaft beobachtet, lässt sie ihr eigenes Leben und die Entscheidungen, die sie getroffen hat, Revue passieren. ("MEINE ZEIT") Ein paar Monate später: Chris beginnt endlich, die letzten Kisten in seiner Wohnung auszupacken. Dabei fällt ihm das Notizbuch in die Hände, das ihm Elke geschenkt hatte. Er erkennt, dass es völlig in Ordnung ist, noch nicht genau zu wissen, was die Zukunft bringt und dass man das Leben sowieso nicht planen kann – gleichzeitig aber auch, dass nichts passieren wird, wenn er nicht anfängt, etwas dafür zu tun. Der alte Mann, der während des gesamten Abends immer wieder aufgetaucht ist und schweigend das Geschehen beobachtet hat, bekräftigt ihn in seiner Entscheidung. Die leeren Seiten in seinem Buch werden sich mit der Zeit noch mit vielen Geschichten füllen – welche davon zu ihm passt, wird er schon herausfinden. Chris schlägt das Notizbuch auf und beginnt zu schreiben. ("MEIN WEG" – Reprise / "KREISE") Die Szene wechselt auf das Bild vom Anfang. Ein Jahr ist vergangen und in einer Reprise des Prologs kommen alle Figuren nochmals abschließend zu Wort. ("EPILOG: ÄLTER" – Reprise) Als Schlussbild sehen wir das Familienphoto vom Anfang, diesmal mit Annikas Baby, dafür ohne Sven, von dem sie sich inzwischen getrennt hat. Chris, der mittlerweile sein Studium begonnen hat und in seinem neuen Leben angekommen ist, tritt aus dem Bild heraus und der alte Mann nimmt seinen Platz ein. Erst jetzt sehen wir, dass der alte Mann eigentlich Chris ist, der auf sein eigenes Leben zurückgeblickt hat. ("CODA") |